Verlorenes Vernegues [Rezension]

Provence Krimi von Cay Rademacher

Steckbrief

  • erschienen: Mai 2020
  • DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG
  • Taschenbuch: 382 Seiten (erhältlich auch als E-Book)
  • ISBN-13 : 978-3832181215

Darum geht es

Capitaine Roger Blanc löst seinen inzwischen siebten Fall in der Provence. Es ist Winter in der Provence. Eigentlich eine ruhige Zeit, doch plötzlich machen Wölfe die Gegend unsicher. Ein Schäfer verliert Tiere und die Bewohner von Vernègues sind verunsichert. Gegen den Widerstand der Tierschützer planen sie eine Treibjagd.

Roger Blanc und seine Kollegen möchten verhindern, dass sich ein schießwütiger Mob bewaffnet auf Jagd begibt.

Und als sei die Stimmung noch nicht schlecht genug, stromert eine Erdbebenforscherin durch die Ruinen des alten Teils des Ortes, der 1909 durch ein Erdbeben zerstört worden war und prophezeit ein baldiges neues Erdbeben. Dieser Meinung ist auch der exzentrische Nostradamus-Experte aus dem Dorf.

Als es zu weiteren Übergriffen durch Wölfe kommt, eine Försterin angefeindet wird und es später auch einen ersten Toten gibt, spitzt sich die Lage zu und aus dem zunächst harmlosen Fall wird eine Mordermittlung.

Meine Meinung

Der Roman lebt über weite Strecken von seiner unterschwellig gruseligen Atmosphäre. Die Tage sind kurz, viel spielt sich in der Nacht ab. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, Roger Blanc schläft gar nicht mehr.

Die Wölfe stellen eine ständige Bedrohung dar und auch der Capitaine spürt, wie eine menschliche Urangst vor diesen Tieren in ihm wach wird.

Zudem treiben sich viele seltsame Gestalten in Vernègues herum.

Die Kulisse rundet dieses unterschwellig bedrohliche Bild ab, denn die Geschehnisse konzentrieren sich größtenteils auf das alte Dorf, das bei einem Erdbeben zerstört wurde. Zwischen dessen Ruinen, eingestürzten Gewölben und verfallenen Resten einer Burg versucht Roger Blanc gleich mehrere Vorkommnisse aufzuklären.

Der Autor Cay Rademacher hat die Stimmung gut erzeugt und allein dadurch schon ein gewisses Maß an Spannung hochgehalten. Das ist auch gut so, denn über weite Teile passiert erst einmal nicht viel. Da sind gerissene Schafe, ein paar Menschen die sich anfeinden oder seltsam verhalten, aber die eigentliche Krimihandlung beginnt erst ziemlich spät.

Trotzdem habe ich mich zu keiner Sekunde gelangweilt oder die Geschichte als zu schleppend empfunden. Die Entwicklung passte zum Grundton des Romans, der in der friedlichen, tief verschneiten Nachweihnachtszeit angelegt ist.

Meine Dauerkritik muss ich auch hier wieder anbringen: Die mehr als seltsame Beziehung von Roger zu seiner Dauer-Affäre Aveline. Dass die Frau in ihm nur ein Spielzeug sieht, während er ihr verfallen ist wie ein Schoßhund, nervt mich inzwischen. Es schwächt nicht nur das Bild der Figur. Für mich verliert der Charakter dadurch an Glaubwürdigkeit. Roger Blanc nimmt es mit Bürgermeistern, Vorgesetzten und nicht zuletzt Verbrechern auf und geht beharrlich seinen Weg, wenn es sich um die Aufklärung eines Verbrechens handelt. Und im privaten Bereich ist er weichgespülter Softie, der sich sehenden Auges von einer Frau immer wieder düpieren lässt. Das passt nicht, und was am Anfang der der Reihe noch ungewöhnlich war, stört mich inzwischen.

Die einzelnen Bände der Reihe sind abgeschlossen und aus sich heraus verständlich.

Funfact: Die beschriebenen Ruinen (altes Dorf/Burg/Mühle/Tempel) gibt es tatsächlich. Ich habe im Netz die Beschreibung einer Wanderung gefunden, die zu diesen Orten geführt hat: http://capfrandos.free.fr/vernegues.htm

Mein Fazit

Ein Krimi, dessen eigentliche Kriminalhandlung sich erst langsam entfaltet, der jedoch aufgrund seiner besonderen Stimmung und vor allem wegen des ungewöhnlichen Handlungsortes in den Ruinen von Vernegues stets über eine gewisse Grundspannung verfügt.