Schneeweiße Weihnacht, Tag 7

Im heutigen Adventskalendertürchen fragt sich Victoria, warum sie eigentlich tut, was sie tut

7.

Zwei Stunden später fragte sich Victoria, warum sie sich vor einem hohen Maschendrahtzaun wiederfand. Kein Anwalt der Welt würde für zwanzig Euro einen Ortstermin wahrnehmen. Und doch stand sie vor dem geöffneten Tor des Weihnachtsbaumverkaufs. Am Fenster einer kleinen Holzhütte bezahlte gerade ein Familienvater seinen Baum, während Frau und Sprössling beaufsichtigten, wie die Tanne durch einen Trichter in ein Netz wanderte.
Victorias Blick blieb an der Preistafel hängen. Farbige Binden an den Stämmen gaben den Preis des jeweiligen Baumes an. Zu ihrer Erleichterung begann die Liste bei zwölf Euro. Geringwertig genug, um einen Versuch zu wagen.
Nachdem die Familie mit dem Weihnachtsbaum abgerückt war, trat sie auf die Hütte zu, grüßte und fragte nach dem Inhaber.
»Gekauft wie gesehen«, war die knappe Antwort, der etwa fünfzigjährigen Frau an der Kasse. »Wir nehmen nix zurück.«
Victoria überlegte kurz, ob sie zu einem Exkurs durch das deutsche Gewährleistungsrecht ansetzen sollte, besann sich dann jedoch darauf, dass sie nicht nur im Auftrag ihres Mandanten hier war, sondern auch, dass sie auf den Goodwill der Leute angewiesen sein würde, sofern sie die Sache zu einem gütlichen Ende bringen wollte. »Es geht nicht um eine Reklamation«, erklärte sie deshalb und schob ein hoffentlich gewinnendes Lächeln hinterher. »Es ist eine geschäftliche Angelegenheit, die ich gerne mit dem Inhaber persönlich besprechen würde.«
Sie löste damit ein kurzes Stirnrunzeln unter dem ungleichmäßig geschnittenen Pony aus, dann drehte sich die Frau um, öffnete die hintere Tür und rief: »Steeefan!«

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