Redet doch einfach miteinander

… oder: wann ist ein Konflikt ein echter Konflikt?

Gerade diskutiere ich mit einer Freundin und Autorenkollegin über das Schweigen. Genauer gesagt über das Nichtreden in einem Konflikt.
Auslöser ist eine Szene in meinem aktuellen Manuskript. Meine Protagonistin entdeckt den Mann, mit dem sie Stunden zuvor eine heiße Nacht verbracht hat, in den Armen einer anderen. Er ist als Womanizer bekannt und war schon vorher nicht aufrichtig, also ist ihr Urteil schnell gefällt. Anstatt ihn zur Rede zu stellen oder sich später anzuhören, was er zu sagen hat, packt sie enttäuscht ihre Sachen und verlässt das Hotel.
Meine Freundin ist (zu recht) der Meinung, diesen Konflikt hätte man durch Reden lösen können (nun ja, nach der Vorgeschichte hätte sie ihm auch noch glauben müssen, aber grundsätzlich stimmt das so).
Ihre Schlussfolgerung lautet, ein Konflikt, der ganz einfach durch Reden zu beheben wäre, sei kein echter Konflikt.
An dieser Stelle bin ich nachdenklich geworden.

Quelle: Pixabay, CC Lizenz

Zum einen beschäftigt mich die Frage: Ab wann ist ein Konflikt ein echter Konflikt? Wie viel Tiefe verlangt ein Streit, um wichtig zu sein? Wie aufwändig muss die Versöhnung werden, um dem Zwist Bedeutung zu geben? Dumme Missverständnisse, sich über Banalitäten aufregen, wegen Kleinigkeiten in die Luft gehen – das sollte nicht sein und doch passiert es uns immer wieder. Warum sollte es den Figuren in unseren Geschichten anders ergehen?

Und wenn die Kontroverse erst in der Welt ist, bin ich mir nicht sicher, ob die objektive Leichtigkeit, mit der ein Streit beendet werden könnte, ein geeignetes Kriterium dafür sein kann, wie sehr eine Person subjektiv darunter leidet. Und überhaupt – denke ich mit einem Anflug von Trotz – sollte sie existieren, so kenne ich die nach oben offene Versöhnungsskala nicht, die mir sagt, etwa ab Level 14 ist die Kontroverse schwerwiegend genug, um in deinem Roman vorkommen zu dürfen.

Während ich noch darüber sinniere, landet mein Fokus mit einem Mal auf einer viel wichtigeren Erkenntnis, denn die Worte meiner Freundin enthalten noch eine andere Botschaft, die mir viel besser gefällt. Der Kern ihrer Worte, der besagt: »Es ist nicht so schlimm – sie hätten doch darüber reden können.«
Anders ausgedrückt: Solange man reden kann, ist kein Zerwürfnis schlimm.

Ich finde, das ist ein wundervoller Gedanke. So schön, dass ich ihm diesen Beitrag widme. Wohl dem, der redet – und jemanden hat, der ihm zuhört.
Dieser Gedanke kam mir in den letzten Wochen und Monaten bei all den Meldungen aus der Welt häufiger. Wir sollten vielleicht einfach mal wieder miteinander reden. Und einander zuhören. Und hoffen, dass meine Freundin recht behält: dass sich so mancher Konflikt dann als gar nicht so entzweiend entpuppt.