Postkarten an Dora [Rezension]

Historischer Roman von Clara Gabriel

Steckbrief:

  • erschienen: Juli 2017
  • Umfang der Printausgabe: 518 Seiten
  • ISBN: 978-3000572722 (Selfpublishing, daher kein Verlag)
  • als Taschenbuch oder E-Book erhältlich

Darum geht es:

Dora Neumann sind die gesellschaftlichen Konventionen des beginnenden 20. Jahrhunderts zu streng. Sie möchte mehr Freiheiten und sieht ihre Chance dazu in der Schauspielerei. Kurzerhand flieht sie in einer Nacht- und Nebelaktion nach Hamburg und vor dort nach London. Hier muss sie erkennen, dass die Welt nicht wirklich auf eine unbekannte Deutsche mit mittelmäßigem Talent gewartet hat. Dank ihres guten Aussehens und mit einigen Tricksereien schlägt sie sich irgendwie durch, weil es ihr meist gelingt, im richtigen Augenblick die richtigen Männer für sich einzunehmen.

Meine Meinung:

Der Autorin gelingt das Kunststück, eine gar nicht mal so sympathische Protagonistin zu erschaffen, mit der ich als Leserin trotzdem mitgefiebert habe.

Doras Freiheitsliebe und ihr unbedingter Wille, es irgendwie zu schaffen, das Leben in die eigenen Hände zu nehmen, sind bewundernswert und man will als Leserin, dass es ihr gelingt.

Dass Dora dafür lügt und betrügt, nimmt man ihr anfangs nicht übel, später hat mich Doras Egoismus gelegentlich dazu gebracht, dass ich ihr den einen oder anderen Tiefschlag gegönnt habe. Und dann aber irgendwie doch nicht wollte, dass es ihr schlecht ging. Selten war ich bei einer Figur so hin- und hergerissen wie bei Dora. Das ist sicherlich eine Besonderheit des Buches.

Die andere Besonderheit ist der Hintergrund des Romans. Die Idee zu der Geschichte wurde geboren aus einer Postkartensammlung, die der Autorin in die Hände fiel. Der genaue Lebensweg der Dora Neumann ließ sich nicht mehr nachvollziehen, aber die groben Eckpfeiler entsprechen der Realität. Die fehlenden Puzzleteile füllte Clara Gabriel mit Fiktion und akribischer Recherche der Gegebenheiten an den jeweiligen Schauplätzen.

Dieses Wissen, dass die Geschichte sich zwar vermutlich nicht genau so abgespielt hat, aber genau so abgespielt haben könnte, macht für mich den Reiz dieses Romans aus.

Mein Fazit:

Immer wieder finden sich unter den im Wege des Selfpublishing veröffentlichten Romanen echte Perlen. Dies ist eine solche. Wer Romane in historischen Settings auch nur ansatzweise mag, sollte unbedingt einen genaueren Blick auf diese Geschichte werfen.