Schneeweiße Weihnacht, Tag 12

12.
»Du kennst ihn? Warum wundert mich das nicht?« Sie hörte eine Art von resignierter Belustigung aus Toms Worten. Er hatte sich vermutlich damit abgefunden, dass sie in letzter Zeit von einem Kriminalfall in den nächsten taumelte.
»Der Mann auf dem Foto in der Zeitung ist ein Mandant von mir. Er müsste auch bei euch im System sein. Manfred Wilhelm heißt er.«
»Wilhelm«, murmelte Tom und Victoria hörte das Klappern einer Tastatur. »Ja, den haben wir tatsächlich im System. Ein Ritt durchs StGB auf Kleinkriminellenniveau.«
»Ist der Strafantrag wegen des gestohlenen Weihnachtsbaums schon da? Von Stefan Bern?«
»Bitte? Dein Mandant hat einen Weihnachtsbaum gestohlen?«, tönte es amüsiert aus dem Hörer.
»Direkt aus der Schonung.« Victoria lachte. »Er hat eine Motorsäge benutzt und ist prompt geschnappt worden. Jetzt hofft er auf Berns Gnade. Geringwertige Sache.« Sie hielt kurz inne und zügelte ihre Belustigung, weil ihr bewusst wurde, dass sie über einen Toten sprach. Auch wenn er ihr nicht sonderlich sympathisch gewesen war.
»Kein Antrag, kein Verfahren, verstehe. Na, das Verfahren hat sich jetzt wohl so oder so erledigt.«

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Schneeweiße Weihnacht, Tag 11

11.
Der Staatsanwalt nahm nach dem dritten Läuten ab. »Hertzmeier«
»Hallo Tom, Victoria hier.«
»Vicky! Das ist aber eine Überraschung.« Er klang erfreut und Victoria fiel ein Stein vom Herzen. Sie machte sich in letzter Zeit ebenso rar wie er und sie konnte den Status ihrer Beziehung nie so recht einordnen. »Was verschafft mir die Ehre?«
»Die Zeitung.« Victoria lachte leise. »Genauer gesagt der Zeitungsartikel von heute über den Leichenfund. Da stand, die Polizei bittet um Hinweise zum Opfer. Ist es dein Fall?«
»Da es derzeit keine Anhaltspunkte für die Zuständigkeit irgendeiner anderen Staatsanwaltschaft gibt, wird es wohl meiner sein.« Er seufzte.
Victoria dachte an die Aktenberge in Toms Büro und verstand sein Seufzen. Mal waren die Aktenstapel größer, mal kleiner, aber Victoria kannte eigentlich keinen Staatsanwalt, der nicht mit wachsender Verzweiflung oder Resignation auf die Vielzahl der Fälle blickte. Und nun war wieder einer dazugekommen.
»Vielleicht kann ich dir zumindest die Suche nach der Identität des Opfers abnehmen«, sagte Victoria.

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Schneeweiße Weihnacht, Tag 10

10.
Als Victoria einige Tage später die Kanzleiküche betrat, um sich einen Kaffee zu holen, fand sie ihren Sozius Marcus Froh dort beim Frühstück vor. »Guten Morgen.«
»Morgen.« Marcus hob den Blick von der Zeitung. »Das hier ist seltsam.«
Sie sah ihren Sozius fragend an. »Was meinst du?«
»Es gab einen Toten. Ist zufällig in einem Haus gefunden worden, das abgerissen werden soll. Man vermutet, es handelt sich um einen Obdachlosen. Irgendwie kommt mir das Gesicht bekannt vor, aber ich habe ihn in einem anderen Kontext gesehen. Ich zermartere mir gerade das Hirn.«
Victoria goss sich einen Kaffee ein, dann stellte sie sich hinter Marcus und sah ihm über die Schulter. »Zeig mal her.«
Sie blickte auf das Foto, blinzelte, sah genauer hin – doch es bestand kein Zweifel. Auch sie kannte das Gesicht. »Ich kann dir sagen, woher du den Mann kennst. Er ist dir vor vier Tagen auf der Treppe begegnet, als er die Kanzlei in einem Weihnachtsmannkostüm verließ. Das ist … das war mein Mandant.«

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Schneeweiße Weihnacht, Tag 9

9.
»Und es gibt keinen anderen Weg?«, fragte Manfred Wilhelm am Telefon und war hörbar unzufrieden mit der Entwicklung. Victoria hatte mehr Freude erwartet. Immerhin rettete sie ihren Mandanten gerade vor einem Strafverfahren.
»Wo ist das Problem? Sie müssen sich nur Mühe bei der Entschuldigung geben. Besser kann es für Sie doch eigentlich nicht laufen.«
»Sie verstehen das nicht«, grummelte es aus dem Hörer. »Ich wollte das regeln, ohne dass er mein Gesicht kennt oder meinen Namen erfährt. Is’ nie gut, wenn einer weiß, dass man Dreck am Stecken hat.« Er hielt kurz inne. »Sagen Sie, wenn ich mich nicht entschuldige und es zu einem Verfahren kommt, was erwartet mich da?«
»Kommt darauf an«, bemühte Victoria erneut die wichtigste Antwort des Juristen. »Sind Sie ein unbeschriebenes Blatt oder findet die Staatsanwaltschaft schon etwas in den Akten?«
»Tjaaaa.«
»Dann kommt es darauf an, was, wie oft, wann zuletzt.«
»Möglich, dass da was … Sie wissen schon, ich hab wenig Geld und manchmal will man sich ja auch was gönnen.«
»Dann kann die Strafe schon etwas höher ausfallen, aber was Sie genau erwartet, kann ich ohne präzise Kenntnis der Voreintragungen nicht einschätzen.« Und für zwanzig Euro würde sie sich mit Sicherheit nicht weiter in den Fall vertiefen. Weihnachten hin oder her.
»Muss ich drüber nachdenken.« Es klackte in der Leitung. Aufgelegt.
»Bitte sehr, gern geschehen.« Victoria warf einen bösen Blick auf das Telefon und legte den Hörer auf die Station zurück.

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Schneeweiße Weihnacht, Tag 8

Tag 8 der Adventsgeschichte

8.
»So, Sie vertreten also den Einbrecher«, sagte Stefan Bern, nachdem Victoria sich vorgestellt und ihr Anliegen kurz skizziert hatte. »Und er will mir den Baum bezahlen, noch etwas obendrauf legen und ich soll die Sache vergessen.«
»Genau«, bestätigte Victoria erleichtert, weil ihr Gegenüber recht aufgeschlossen wirkte.
»Das wird nicht gehen.« Stefan Berns Miene verfinsterte sich. »Sehen Sie, wir haben hier immer mal wieder Diebstähle. Wenn ich Ihren Klienten damit durchkommen lasse, ist es ja wie eine Einladung für alle anderen. Versucht euer Glück, falls ihr geschnappt werdet, zahlt ihr halt den Baum, falls nicht habt ihr ihn gratis.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich fürchte, das wird nichts. Wenn er wenigstens persönlich aufgetaucht wäre. Ich weiß ja nicht einmal, wie er heißt.«
»Würde eine persönliche Entschuldigung die Sache für Sie ändern?«
»Möglicherweise. Wenn ich merke, dass er es aufrichtig meint. Sagen Sie ihm, er soll sich bei mir melden, dann sehen wir weiter. Ich gebe ihm bis morgen Zeit, so lange werde ich ihn nicht anzeigen.«

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Schneeweiße Weihnacht, Tag 7

Im heutigen Adventskalendertürchen fragt sich Victoria, warum sie eigentlich tut, was sie tut

7.

Zwei Stunden später fragte sich Victoria, warum sie sich vor einem hohen Maschendrahtzaun wiederfand. Kein Anwalt der Welt würde für zwanzig Euro einen Ortstermin wahrnehmen. Und doch stand sie vor dem geöffneten Tor des Weihnachtsbaumverkaufs. Am Fenster einer kleinen Holzhütte bezahlte gerade ein Familienvater seinen Baum, während Frau und Sprössling beaufsichtigten, wie die Tanne durch einen Trichter in ein Netz wanderte.
Victorias Blick blieb an der Preistafel hängen. Farbige Binden an den Stämmen gaben den Preis des jeweiligen Baumes an. Zu ihrer Erleichterung begann die Liste bei zwölf Euro. Geringwertig genug, um einen Versuch zu wagen.
Nachdem die Familie mit dem Weihnachtsbaum abgerückt war, trat sie auf die Hütte zu, grüßte und fragte nach dem Inhaber.
»Gekauft wie gesehen«, war die knappe Antwort, der etwa fünfzigjährigen Frau an der Kasse. »Wir nehmen nix zurück.«
Victoria überlegte kurz, ob sie zu einem Exkurs durch das deutsche Gewährleistungsrecht ansetzen sollte, besann sich dann jedoch darauf, dass sie nicht nur im Auftrag ihres Mandanten hier war, sondern auch, dass sie auf den Goodwill der Leute angewiesen sein würde, sofern sie die Sache zu einem gütlichen Ende bringen wollte. »Es geht nicht um eine Reklamation«, erklärte sie deshalb und schob ein hoffentlich gewinnendes Lächeln hinterher. »Es ist eine geschäftliche Angelegenheit, die ich gerne mit dem Inhaber persönlich besprechen würde.«
Sie löste damit ein kurzes Stirnrunzeln unter dem ungleichmäßig geschnittenen Pony aus, dann drehte sich die Frau um, öffnete die hintere Tür und rief: »Steeefan!«

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Schneeweiße Weihnacht, Tag 6

Der Nikolaus präsentiert einen weiteren Teil der Adventskalendergeschichte

6.
»Hab den Diebstahl sofort zugegeben.« Er richtete die Kopfbedeckung wieder. »War ja offensichtlich. Dachte, die lassen mich laufen, wenn ich den Baum bezahle. Hammse aber nicht. Haben was von Antragsdelikt gesagt und dass der Eigentümer das entscheidet. Hab kein Wort verstanden. Deshalb bin ich hier.«
»Wissen Sie denn, was der Baum gekostet hätte?«
»Nee, ich hab den aus dem Bereich ganz hinten, da hängen keine Markierungen dran.«
»Wenn es sich um einen kleinen Baum handelte …«
»War nich groß, hab ja nur eine winzige Bude.«
»Wenn es sich also um einen kleinen Baum handelte, dann kann es sein, dass er unter die sogenannte Bagatellgrenze fällt. Dann wird ein Diebstahl nicht automatisch verfolgt, sondern nur, wenn der Geschädigte einen Strafantrag stellt.«
»Und genau das müssen Sie nun verhindern!«

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Schneeweiße Weihnacht, Tag 5

Im Adventskalender hat heute eine Dieb große Sorgen

5.
»Also, ich wollte halt einen günstigen Weihnachtsbaum«, begann Manfred Wilhelm. »Da bin ich nachts zu dem Verkauf. Da ist ein riesiger Zaun drum, aber ich kenn da vom letzten Jahr eine Stelle, da kommt man über einen Baum draußen mit ner Strickleiter prima aufs Gelände.«
»Das mit dem ›letzten Jahr‹ haben Sie aber hoffentlich nicht der Polizei gesagt?«, warf Victoria ein.
»Nee, bin ja nicht blöde«, entgegnete Manfred Wilhelm empört.
»Und warum haben Sie sich als Weihnachtsmann verkleidet? Nachts ist da doch sicher niemand mehr.«
»Wegen den Kameras. Das ist da gesichert wie Fort Knox.«
Was vielleicht ein klitzekleines bisschen verständlich war, falls es noch mehr Menschen wie ihren Mandanten gab.
»Und nen Weihnachtsmann verdächtig nie einer. War danach nicht mehr zuhause, sondern bin direkt hierher gekommen.«
»Verstehe.« Eigentlich nicht.
»Jedenfalls hatte ich im letzten Jahr eine Axt dabei. Das war viel zu anstrengend. Deshalb hab ich mir vonnem Kumpel diesmal eine Motorsäge ausgeliehen. Hätte nicht gedacht, dass die so laut ist. Ich habe den Baum gefällt, übern Zaun gewuchtet, bin mit der Leiter wieder rüber und schlepp den Baum zum Auto. Da warten aber schon die Bullen auf mich.« Er kratzte sich am Hinterkopf, mit dem Ergebnis, dass die Weihnachtsmannmütze ihm tief in die Stirn rutschte.

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Schneeweiße Weihnacht, Tag 4

Spannende Weihnachtsunterhaltung in 24 Teilen

4.
»Nun«, antwortete Victoria gedehnt, »das kommt darauf an.« Die wichtigste Antwort des Juristen. »Eigentlich rechnen wir nach den gesetzlichen Vorgaben der RVG ab. Und eine Strafverteidigung …«
»Nein, nein«, unterbrach der Mann. »Keine Strafverteidigung. Na ja, irgendwie auch. Ich hatte irgendwie gehofft, Sie könnten mir helfen, dass es erst gar nicht so weit kommt.«
Für zwanzig Euro. Aber der Mann hatte Glück, dass Victoria noch immer neugierig auf die ganze Geschichte war und ohnehin einen Grund suchte, sich nicht um diesen langweiligen Vertrag kümmern zu müssen. Außerdem war Weihnachten, da hatte man mildtätig zu sein und wenn ausgerechnet der Weihnachtsmann um Hilfe bat, konnte sie ihn wohl kaum wegschicken.
»Also gut«, willigte sie ein. »Erzählen Sie mir, wo genau Ihr Problem liegt und ich schaue, ob ich Ihnen helfen kann.«

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Schneeweiße Weihnacht, Tag 3

Der mörderisch-winterliche Adventskalender


  1. Die hellste Kerze auf dem Adventskranz ist der nicht, stellte Victoria fest, ließ sich aber nichts anmerken.
    »Ist es nicht ziemlich früh für einen Weihnachtsbaum?«, fragte sie stattdessen. »So Anfang Dezember?«
    »Nee«, kam es im Brustton der Überzeugung zurück. »Später sind doch die schönsten Bäume schon weg!«
    »Aha.« Ein Dieb mit Ansprüchen.
    »Ganz klar! Wann kaufen Sie denn Ihren Baum? Etwa erst am Heiligabend vorm Supermarkt, wo Se dann nur noch Gestrüpp bekommen?«
    Gar nicht, dachte Victoria. Sie hatte seit Jahren einen Plastikbaum, der so echt war, dass er inzwischen sogar nadelte. Laut sagte sie: »Sie sind also erwischt worden und benötigen nun eine Strafverteidigung?«
    »Ja, nee, weiß nicht.« Manfred Wilhelm nestelte einen zerknüllten Geldschein aus der Tasche, strich ihn glatt und warf ihn vor Victoria auf den Tisch. Zwanzig Euro. »Könnse mir dafür eine Rechtsberatung geben?«

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