Oktobermann [Rezension]

Der neue Kurzroman von Ben Aaronovitch bringt die Magie der Flüsse von London nach Deutschland

Wein ist das große Thema im ersten Rivers of London Spin-off, das in Deutschland spielt

Steckbrief:

  • Taschenbuch: 208 Seiten (oder als E-Book)
  • Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
  • veröffentlicht: 20. September 2019
  • ISBN: 978-3423218054
  • Übersetzt von: Christine Blum

Darum geht es:

Tobi Winter, das deutsche Pendant zu PC Peter Grant, arbeitet in der Abteilung für komplexe und diffuse Angelegenheiten beim BKA und lernt seit drei Jahren zaubern.
Als eine über und über mit Pilz bewachsene Leiche am Fuße eines Weinbergs in Trier gefunden wird, sendet ihn das BKA aus, um zusammen mit der dortigen Kollegin Vanessa Sommer den Fall zu untersuchen.
Bald lernen sie einen Club von Weinliebhabern kennen, der mit der Sache zu tun zu haben scheint und natürlich müssen in einem „Flüsse von London“ Ableger auch Flussgöttinen mitmischen.

Meine Meinung:

Ich war unendlich neugierig auf diesen Roman. Es kann sein, dass ich deshalb mit zu hohen Erwartungen an die Geschichte herangetreten bin, die leider nicht vollständig erfüllt wurden.

Die Figuren sind in der Anlage facettenreich und interessant, doch wird das Potential nicht ausgeschöpft. Auf der Homepage des dtv Verlags gibt es eine Kurzgeschichte, die den Beginn von Tobis Zauberkarriere etwas beleuchtet. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, diese als Prolog voranzustellen, um ein bisschen mehr Gespür für Tobi zu entwickeln. Ich muss gestehen, dass ich ein großer Peter Grant Fan bin, der mich bereits in Band 1 der Flüsse von London komplett für sich eingenommen hat. Womöglich fällt es Tobias Winter deshalb schwer aus diesem Schatten herauszutreten. Ich fand ihn jedenfalls bedauerlich konturenlos.

Zudem habe ich gemerkt, dass mir Nightingale fehlt. Obschon Peter Grants Chef in einigen Bänden kaum auftritt, ist er doch stets präsent und mir ist jetzt bewusst geworden, wie sehr ich die Dynamik mag, die durch die Zusammenarbeit dieses weisen, korrekten Mannes Nightingale mit dem impulsiven Peter Grant entsteht.

Tobi Winter hat eine sicherlich interessante, im Ansatz Neugier erweckende Chefin, die jedoch so gut wie keine Rolle spielt, sodass diese Ebene komplett entfällt.

Vanessa Sommer hingegen ist ein rundum gelungener Charakter. Ihre Wissbegierigkeit ist ein geschickter Schachzug, denn so erfährt man als Leser vieles über die Hintergründe der magischen Welt – über den Umweg, dass Tobi es Vanessa erklärt.

Der Fall an sich ist interessant, aber vieles bleibt offen. Viele Zusammenhänge empfand ich als etwas wirr. Ich werde das Buch mit etwas Abstand noch einmal lesen und gezielter darauf achten, ob ich den einen oder anderen Punkt dadurch etwas klarer sehe, doch mir scheint, auch die Ermittler verlieren sich am Ende hauptsächlich in Mutmaßungen.

Nach so vielen Punkten, die mich nicht restlos überzeugen konnten, gibt es zum Glück auch einiges auf der positiven Seite.

Da ist zum einen der Schreibstil. Ich mag die Art, wie Ben Aaronovitch schreibt. Die vereinzelten Pointen, der stets etwas ironische Unterton, die lockere Ausdrucksweise. Das alles findet sich natürlich auch in diesem Buch.

Das neue Setting eröffnet neue Geschichten. So sehr ich Peter Grant auch liebe – ein wenig festgefahren war die Geschichte zuletzt schon. Das mag sich mit dem Schluss der „Glocke von Whitechapel“ nun ändern, doch ich freue mich auch über den frischen Wind, den Tobi Winter in die von Aaronovitch geschaffene Welt bringt.

Zusatzinfo:

Ich durfte den Autor kürzlich kennenlernen und ihm einige Fragen stellen.
[Ein KLICK HIER führt zum vollständigen Bericht]
Auf meine Frage, ob er plane, Tobi Winter als Serie zu etablieren antwortete er zurückhaltend. Einerseits ja, würde er das gerne tun, andererseits sei er zeitlich so eingebunden, dass er nicht wisse, ob er das schaffe.

Ich würde mich jedenfalls sehr freuen. Band 1 mag mich noch nicht vollständig überzeugt haben, doch das Potential, das dieser neue Plot eröffnet, lässt mich auf Fortsetzungen hoffen.

Funfact:

Während ich diese Zeilen schreibe, belegt der „Oktobermann“ bei einem großen Onlinehändler Platz 1 in der Kategorie ‚Weinanbau‘ 😀

Fazit:

Ein Einstieg in die Welt der deutschen Magie und Magier mit viel Potential, das nicht ausgeschöpft wird. Der Start ist gelungen, aber macht nicht rundum glücklich, und lässt deshalb auf Fortsetzungen mit ein wenig mehr Tiefe hoffen.