Polizeikrimi von Norbert Horst
Steckbrief
- Verlag: Goldmann Verlag
- erschienen: 2003 (der Beginn der Reihe, inzwischen gibt es vier Bände mit Kommissar Kirchenberg)
- ISBN-13: 978-3442452309
- Taschenbuch: 288 Seiten oder als E-Book
Darum geht es:
Eine junge Frau wird brutal ermordet, der Täter entkommt, wird aber von der Mitbewohnerin des Opfers gesehen. Als Leiter der Mordkommission übernimmt Kriminalhauptkommissar Kirchenberg die Ermittlungen.
Die Besonderheit ist, dass der Leser ganz dicht an diesen Ermittlungen dranbleibt. Besprechungen, Telefonate, Aktenvermerke – alles dient als Erzählform.
Die Geschichte ist streng aus der Egoperspektive geschrieben. Und zwar direkt aus den Gedanken des Ermittlers heraus.
Sätze wie ‚Kirchenberg überlegte, noch bei Sener vorbeizugehen‘, wird man in diesem Roman nicht finden.
Stattdessen steht dort: ‚Noch bei Sener vorbei? Ach ne, bin platt‘ (Seite 106)
Meine Meinung
An diese Art der Erzählung muss man sich gewöhnen. Hieran werden sich die Geister scheiden. Nach einer Weile habe ich mich mit dem Stil anfreunden können, muss so etwas aber nicht allzu häufig haben.
Der Nachteil ist, dass es sich holprig liest und wenig erklärt wird. Oft weiß man nicht auf Anhieb, wo sich Kirchenberg gerade befindet und muss es aus dem Kontext erschließen.
Der Vorteil: dichter dran geht nicht. Mehr kommt man nicht in den Kopf des Ermittlers hinein.
Ein Beispiel – ohne dass vorher erklärt wird, wohin Kirchenberg sich wendet, der Leser weiß nur, dass er von einer Pressekonferenz kommt.
Im Flur ist es schattig und kühl, angenehm. Die Teams sind vollständig im Besprechungsraum. Rauchschwaden. Ja, rauchen. Schmidt hat Kippen, sogar Camel ohne.
„Kauf dir mal welche.“
Ulla fehlt. Da warten wir noch fünf Minuten. Ausatmen. (Seite 164)
Da der Autor selbst Polizist ist und in einigen Mordkommissionen mitgearbeitet hat, ist das Ermittlungsgeschehen ausgesprochen authentisch. Auch dieser Punkt ist zugleich Vor- und Nachteil.
So nah dabei zu sein, fühlt sich echt an. Es befriedigt einen gewissen Voyeurismus und aus diesem realistischen Gefühl zieht der Roman seine Faszination. Denn die Kehrseite der Lebensnähe ist ein Fall, der sehr gradlinig verläuft und sich vor allem auch über Ermittlungsergebnisse entwickelt, die bei Kirchenberg zusammenlaufen. Nicht alles erlebt er höchstpersönlich. Eine Verfolgungsjagd zum Beispiel bekommt der Leser nur über den Funk mit. Mit besonders viel Action oder überraschenden Verwicklungen punktet der Fall nicht. Es ist dieses Gefühl, dabei zu sein, das diesen Roman für mich lesenswert machte.
Einzig Kirchenbergs Vorliebe für behaarte Frauen fand ich merkwürdig. Zu nahezu jeder Frau, die er irgendwo traf, erfuhr man, wo Körperbehaarung sichtbar war. Und dass er ständig an Ayse dachte, sollte wohl eine persönliche Note in die Sache bringen. Das stört mich im Grunde nicht, aber kam mir zu häufig vor.
Mein Fazit:
Alles andere als ein gewöhnlicher Krimi. Durch den Erzählstil ist man als Leser mittendrin, das macht den eher einfachen, gradlinigen Fall wett. Wer Fan von ganzen Sätzen ist, sollte allerdings lieber die Finger davon lassen, alle anderen Krimifreunde können einen Blick riskieren.