Winterjagd [Rezension]

Thriller von Loreth Anne White

  • Autorin: Loreth Anne White
  • Originaltitel ‏ : ‎ A Dark Lure
  • Übersetzt von: Diana Bürgel
  • Verlag: ‎ Edition M
  • Erschienen am: 14. Juni 2016
  • Erhältlich als Taschenbuch (496 Seiten) oder E-Book
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-1503937130

»Sie sind kein Überlebenskämpfer, ist Ihnen das klar? Sie wissen einen Dreck davon, wie man überlebt. Sie kennen doch nur ihre eigene narzisstische Selbstsucht.« (Seite 55)

Um was geht es

Vor zehn Jahren ist Sarah Baker einem sadistischen Serienmörder entkommen. Der hatte vor ihr bereits einige Frauen in seiner Gewalt, die er den Winter über gefangen hielt und dann zur Jagd aussetzte. Sarah war das letzte seiner Opfer, durch ihre Aussage konnte der Täter gefasst werden.


Heute lebt Sarah unter dem Namen Olivia auf der Broken Bar Ranch in einem entlegenen Winkel von Britisch Colombia. In der Abgeschiedenheit versucht sie, die Ereignisse zu vergessen, doch mehren sich seltsame Vorfälle.
Vieles spricht dafür, dass der damalige Täter sie aufgespürt hat – allerdings ist das unmöglich, denn der ist im Gefängnis gestorben.


Ein weiterer Mord geschieht, und einer der damaligen Ermittler, Gage Burton, sieht Parallelen zu den alten Morden. Er hatte schon immer den Verdacht, dass sie damals den falschen Mann geschnappt hatten, und macht sich deshalb mit seiner Tochter auf den Weg zur Broken Bar Ranch. Getarnt als Campingurlauber versucht er, ein Auge auf Sarah zu haben, um sie zu schützen.
Die hat inzwischen zusätzlich Sorgen, denn ihr väterlicher Freund und Eigentümer der Ranch liegt im Sterben und sein Sohn reist an, um den Verkauf der Ranch vorzubereiten.

Dies ist Teil 1 der zweiteiligen Broken Bar Reihe. Der Roman ist abgeschlossen.

Meine Meinung

Der Thriller Winterjagd von Loreth Anne White lebt nicht nur von einer spannenden Geschichte, sondern auch und vor allem von der Atmosphäre. Die herbstliche Ranch mit dem See und dem Campingplatz bieten ein friedliches Bild, bis ein heranziehender Schneesturm zu einer ernst zu nehmenden Gefahr wird, da er die Ranch von der Außenwelt abschneiden wird.
Natürlich spitzt sich just zu dieser Zeit auch das Bedrohungsszenario für Sarah zu.
Die Entwicklung des idyllischen Schauplatzes hin zur unheilschwangeren Außenwelt als Metapher für die wachsende Gefahr für Sarah zu verwenden, ist als Kniff nicht neu, funktioniert aber einmal mehr. Dies allein sorgt schon für einen wohligen Schauer, wenn man selbst warm und gemütlich auf dem Sofa kuschelt, während im Roman das Leben im Eis erstarrt.

Ebenfalls gut gefallen hat mir die Art, wie der Leser erfährt, was sich vor zehn Jahren zugetragen hat. Die Frau des Polizisten Gage Burton hat als True-Crime-Autorin die Geschichte von Sarah zu einem Manuskript verarbeitet. Burtons Tochter, die ihren Vater nicht ganz freiwillig auf den Campingausflug begleitet, liest das Manuskript parallel zum Fortschreiten der Handlung in der Gegenwart. Für uns Leser bedeutet das quasi einen Roman im Roman. Am Schluss werden die Fäden der Vergangenheit mit denen der Gegenwart verwoben und die offenen Fragen von damals und heute beantwortet. Erst gegen Ende werden dem Leser Zusammenhänge nicht nur der Handlungsstränge, sondern auch zwischen den Figuren klar.

Die Charaktere sind menschlich und nachvollziehbar gezeichnet. Sarah/Olivia ist eine starke und zugleich verletzliche Frau, deren innere Dämonen sich ihr gelegentlich überzeugend in den Weg stellen.
Mir persönlich war der Antagonist vielleicht schon eine Spur zu gestört, aber auch er ist insgesamt stimmig.
Auch Cole, der Erbe der Broken Bar Ranch, war mir sympathisch. Den Auslöser seiner Lebenskrise empfand ich beim Lesen als wenig relevant und deshalb aufgesetzt. Es wirkte ein bisschen, als hätte die Autorin dringend noch einen inneren Konflikt für ihn gesucht, der in meinen Augen gar nicht nötig war. Die Geschichte hätte auch ohne Coles Probleme wunderbar funktioniert. Die zarte Liebesgeschichte zwischen Sarah und Cole war so ein bisschen die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Ich mag Romantic Suspence und alles, was in diese Richtung geht.

Loreth Anne White hat mich mit dieser Geschichte absolut eingefangen und einen Pageturner geschrieben, wie ich ihn lange nicht in den Händen hielt.

Fazit

Winterjagd ist ein Thriller mit einem Hauch Liebesgeschichte, der vor allem durch die idyllische Einsamkeit der abgelegenen Brocken Bar Ranch besticht und aus der Abgeschiedenheit eine Grundspannung zieht, die durch einen herannahenden Schneesturm auf die Spitze getrieben wird. Das gekonnte Verweben der Zeitebenen, wo in der Vergangenheit eine Jagd auf Sarah begann, die in der Gegenwart fortgesetzt wird, hat einen spannenden Pageturner entstehen lassen.