Die Flüsse von London treffen auf den Fluss von Schwerte

Ben Aaronovitch zu Gast in Schwerte an der Ruhr

Lesung von Ben Aaronovitch in der Rohrmeisterei Schwerte im Rahmen der Mord am Hellweg – Mörderisches Intermezzo Reihe

Es heißt ja, was lange währt, wird endlich gut und selten war der Spruch so zutreffend wie gestern Abend.

Coronabedingt war die Lesung des Londoner Autors Ben Aaronovitch im vergangenen Jahr verschoben worden, dann stand die Veranstaltung lange auf der Kippe, um nun letztlich mit einem Jahr Verspätung stattfinden zu dürfen.
Dafür hatte der Brite dann aber auch gleich zwei Neuheiten für uns mitgebracht: zum einen seine frisch erschienene Novelle »Die Füchse von Hampstead Heath«, zum anderen seinen Beitrag zur Anthologie »Mord am Hellweg 10«, namentlich die Kurzgeschichte »Die kleinen Häuschen von Schwerte«.

Ein besonderes Schmankerl: Den jeweiligen deutschen Part hat Fritz Eckenga gelesen und der Sache mit seinem unverkennbaren Zungenschlag des Ruhrpotts einen ganz eigenen Charme verliehen.

Teil I: Die Füchse von Hampstead Heath

Die erste Hälfte der Lesung war der Novelle »Die Füchse von Hampstead Heath« gewidmet, in deren Mittelpunkt nicht Peter Grant, sondern seine Cousine Abigail Camara steht, von der kundige Leser bereits wissen, dass sie zu Füchsen einen besonderen Draht hat.
Zeitlich angesiedelt ist die Geschichte im »Fingerhutsommer«., auch thematisch geht es (ähnlich wie im Fingerhutsommer) und verschwundene Teenager, die ohne Erinnerung an die Tage ihrer Abwesenheit wieder auftauchen.
Ben Aaronovitch erzählte, dass der Weg über die relativ kurzen Bücher ihm eine Möglichkeit eröffnete, sich mit dem Segen seines Verlegers mit den Nebenfiguren befassen zu können.

Nach Tobi Winter gefragt, antwortete der Autor, dass er einerseits überlege, die Geschichte fortzuführen und/oder Tobi und Peter Grant (womöglich in Tschechien) aufeinandertreffen zu lassen. Andererseits müsse er für Geschichten auf deutschem Boden zweimal so viel recherchieren. Die Moderatorin und Ben Aaronovitch sinnierten daraufhin über weitere Figuren der Tobi Winter Romane und kamen zu dem – möglicherweise nicht ganz ernstgemeinten – Schluss, dass es nach Tobi Winter und Vanessa Sommer im nächsten Band einen Heinrich Herbst geben müsse.

Teil II: Die kleinen Häuschen von Schwerte

Nach der Pause kam der für mich noch immer unglaubliche Teil: Ben Aaronovitch schreibt über Schwerte.
Seit ich zum ersten Mal davon hörte, finde ich den Zufall unfassbar, dass ausgerechnet mein Lieblingsautor über meine winzige, völlig unbekannte Heimatstadt schreibt. Wie wahrscheinlich ist es, dass diese zwei Faktoren zusammentreffen?
Ich suche mir aus einer Unmenge an Schriftstellern ausgerechnet Ben Aaronovitch als den Einzigen aus, den ich seit Jahren in jedem Interview als meinen Lieblingsautor nenne. Und dieser Lieblingsautor aus der Metropole London schreibt ausgerechnet über eine weitgehend unbedeutende Kleinstadt am Ufer der Ruhr.
Über den Twitterkanal des Autors und die lokale Presse habe ich die Entstehung der Kurzgeschichte verfolgt, gestern gab es das Ergebnis zu hören – grandios vorgetragen von Fritz Eckenga, der die ohnehin gelungene Geschichte mit seinem Vortrag noch einmal aufwertete.

Nach Schwerte befragt, sagte Ben Aaronovitch, dass seine ersten Recherchen lediglich »Stau« als bemerkenswertestes Attribut der Stadt ergeben hätten. Bei seinem Besuch in Schwerte habe er dann glücklicherweise herausgefunden, dass es hier noch einige Eigenheiten mehr entdecken gab.
Er habe sich schließlich für einen Mord in einer Kleingartenanlage entschieden, weil die ihm mit all den Vorschriften sehr deutsch erschienen war. Regularien faszinierten ihn auch bei seinem Besuch in der Schwerter Polizeistation. Neben unendlich viel Zeug im Kofferraum des Polizeifahrzeugs (»wo ist denn noch Platz, wenn ihr jemanden festnehmen müsst?«), gab es dort vier dicke Ordner mit Handlungsanweisungen für jede Situation.

Nach fast zweieinhalb Stunden (inklusive Pause) war die gelungene Veranstaltung zu Ende. Natürlich nahm sich Ben Aaronovitch danach noch Zeit für die Autogrammwünsche seiner Leser.

Neben angenehmen Erinnerungen bleibt mir vom gestrigen Abend das beruhigende Versprechen des Autors, dass er bis zu seinem Tod weiterschreiben werde, so lange die Menschen seine Bücher kauften.